Protest gegen die „atypische Enteignung“

An Herrn LH Stellvertreter, Ökonomierat Josef Geisler,6020 Innsbruck, Landhaus

Sehr geehrter Herr Geisler!            Betrifft: Protest zu TFLG Novelle!

Als zuständiges Regierungsmitglied für Land- und Forstwirtschaft und politisch Verantwortlicher für die Tätigkeit der Agrarbehörden erlauben wir uns, ihnen zur Regierungsvorlage für die TFLG Novelle 2014 folgende Stellungnahme und unseren Protest zu überbringen.

  1. Den Agrargemeinschaften und deren Mitgliedern ist der Zugang zum ordentlichen Rechtsweg per Gesetz zu garantieren.
  2. In Substanzfragen haben die Agrargemeinschaft und die Gemeinde einvernehmlich zu entscheiden.
  3. Die substanzberechtigte Gemeinde ist nicht berechtigt, den Organen der Agrargemeinschaften Aufträge bzw. Weisungen zu erteilen.( Streichung § 36d Abs. 1 )
  4. Im Auseinandersetzungsverfahren ist die rechtliche und historische Aufarbeitung der Entstehung des Eigentums gesetzlich verpflichtend vorzusehen.
  5. Das Auseinandersetzungsverfahren darf keine Einbahn ausschließlich zu Gunsten der politischen Gemeinde sein.
  6. Bestimmungen die zur zeitgemäßen Ausgestaltung Haus- und Gutsbedarfes, welche  in den EB angeführt sind , sind in einer Durchführungsverordnung des TFLG gesetzlich zu verankern.
  7. Die Strafbestimmungen sind verhältnismäßig auszugestalten.

Begründungen:

Zu 1.)

  • Der Ausschluss des ordentlichen Rechtsweg ist ein anachronistisches Überbleibsel und widerspricht jeder neuzeitlichen  geltenden staatlichen Rechtsnorm. Nachdem die Agrargemeinschaft kein reines agrarrechtliches Gebilde mehr ist sondern von den Doktrinen der Gemeindeordnung  gelenkt werden soll, ist auch der ordentliche Rechtsweg ein verfassungsmässiges Recht der Agrargemeinschaftsmitglieder.
  • Die Agrarbehörde Behörde ist Ermittler, Ankläger und Richter zugleich. Dies widerspricht der verfassungsmässig festgelegten Gewaltenteilung und dem verfassungsmässigen Recht auf einen unabhängigen ordentlichen Richter.

 

Zu 2.)

  • Die Agrargemeinschaft, als auch die Gemeinde sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Wenn die Agrargemeinschaft durch ein monokratisches Organ der anderen Körperschaft öffentlichen Rechtes in den Entscheidungen über der ersteren  grundbücherliches Eigentum vollkommen ausgeschaltet wird, entspricht das keinesfalls dem verfassungsmässig garantierten Schutz des Eigentums.
  • Der monokratisch agierende Substanzverwalter ist eine überschießende Erfindung der Agrarbehörde und der Landesregierung, siehe dazu Erkenntnis Pflach Seite 23/48 im Originaltext:

„ Das subjektive Recht der Gemeinde auf die umfassende Dispositionsbefugnis über den Substanzwert des Gemeindegutes iSd § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 wird im TFLG 1996 insbesondere durch die Bestimmung des § 35 Abs. 7 Satz 2 gewährleistet, die Organ- beschlüsse über den Substanzwert von Gemeindegut an die Zustimmung der Gemeinde bindet“.

Der Gesetzgeber möge sich an dieses VfGH Erkenntnis halten.

Zu 3.) § 36d Abs 1 ist ersatzlos zu streichen, wegen menschenverachtender Bestimmung, weil:

  • Die Mitgliedschaft bei einer Agrargemeinschaft ist mit der Stammsitzliegenschaft und deren Eigentümer untrennbar verbunden.

  • Die Annahme einer Wahl ist Pflicht. Strafandrohung 5000.- Euro

  • Die Besorgung eines Auftrages oder Weisung kann dem zwangsweise bestellten Organ nicht zugemutet werden, wenn dessen Inhalt  gegen seine  persönlichen Überzeugung ist oder wider sein rechtliches Wissen und Gewissen steht. (Strafandrohung 9000.- Euro)

Zu 4.)

Die vorliegenden Besitzurkunden der Agrargemeinschaften bedingen eindeutig eine zwingende behördliche Feststellung ihrer agrargemeinschaftlichen Grundstücke

nach §33 lit a oder lit b TFLG.

  • § 33 lit a.) Grundstücke, die im Zuge von Verfahren nach der Kaiserlichen Entschließung vom 6. Februar 1847, Provinzialgesetzsammlung von Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847, S. 253, einer Mehrheit von Berechtigten ins Eigentum übertragen wurden; ( Forsteigentumspurifikation )
  • § 33 lit b) Grundstücke, die im Zuge von Verfahren nach dem Kaiserlichen Patent vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, einer Mehrheit von Berechtigten ins Eigentum übertragen wurden; ( Forstservitutenausgleich)
  • Die Agrarbehörde anerkennt und würdigt diese Eigentumsbeweise nicht.

Dazu VfGH aus Pflach 24/55:

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem vor, in (…….) dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

In Erfüllung der Vorgaben des Erkenntnisses zu Pflach ist bei allfälligen Auseinandersetzungsverfahren, sowie bei allfälligen behördlichen Gemeindegutsfeststellungen eine historische und rechtliche Überprüfung gesetzlich vorzuschreiben.

Zu 5.)

Das Auseinandersetzungverfahren ist als Einbahnstraße zu Gunsten der politischen Gemeinde  konzipiert. Zumindest ist hier die gesetzliche Verpflichtung der Prüfung und Würdigung aller vorliegenden Urkunden, Unterlagen und sonstiger Beweisstücke  historischer und rechtlicher Art aufzunehmen.

  • Das Ergebnis kann sein, echtes Gemeindegut, mit Nutzungsrechten belastet, oder

  • echtes Gemeinschaftsgut der Mitglieder einer Agrargemeinschaft.

  • Insbesondere ist zu erforschen und zu klären, ob die Vorgängerorganisationen der Agrargemeinschaften egal welcher Benamsung, vorwiegend Einrichtungen gemeinderechtlicher Art, oder vorwiegend Einrichtungen privatrechtlicher Art waren. (Schennach)

Zu 6.)

In den erläuternden Bemerkungen sind u.a. zeitgemäße Auslegungen des Haus- und Gutsbedarfes erklärt. Diese Bemerkungen sind als Durchführungsverordnung gesetzlich zu verankern. 

Zu 7.)

Der Strafkatalog steht auf Grund seines Umfanges und seiner Strafandrohung von bis zu 9000.- Euro in keinem Verhältnis zur Schwere allfälliger Vergehen oder Unterlassungen, wissentlicher und unwissentlicher Art. Dieser Strafkatalog ist absolut überschießend und menschenverachtend. Überdies ist die Verpflichtung der vorausgehenden Verwarnung bzw. Aufforderung gesetzlich vorzuschreiben. Der vorgelegte Strafkatalog kommt auf Grund seiner Formulierungen  einer vorauseilenden Beugestrafe und Abschreckungsstrafe gleich, um schon den Versuch eines Protestes gegen dieses von den allermeisten Betroffenen als Unrechtsgesetz empfundene TFLG zu verhindern.  Dieser Strafkatalog  kommt mittelalterlichen Praktiken bzw. einem System längst überwundener Gewaltherrschaften gleich.

Schlussendlich erlaube ich mir folgende persönliche Bemerkungen:

Geschieht dies alles in Tirol unter einer ÖVP dominierten Landesregierung?

Ist dem Herrn Landeshauptmann Platter bewusst, dass er damit die ÖVP in Tirol zerstört?

Ist das die  freiwillige und wissentliche Selbstzerstörung der ÖVP?

Wo ist die sogenannte Eigentum schützende Partei ÖVP geblieben?

Agrargemeinschaftsverband Westösterreich

Anton Riser Obmann

 

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